Wer gendert – und wenn ja, wie viele? Ein Kommentar

Inklusion in Schulen ist seit Jahren ein aktuelles Thema, bei dem es darum geht, auch Menschen mit Behinderung die Teilnahme am Alltag zu ermöglichen. Inklusion der Sprache ist daher eine logische Konsequenz, um alle Mitglieder der Gesellschaft anzusprechen.

Doch wie weit ist dieses Spiel zu treiben und welche Anpassungen der Sprache sind praktikabel? Ich denke, es ist für jeden nachvollziehbar, dass Berufsbezeichnungen mit generischem Maskulin heutzutage ohne Probleme gegendert werden können, beispielsweise Ärzte und Ärztinnen oder Krankenpfleger und –pflegerinnen statt Krankenschwester. Doch streng genommen ist das noch kein vollständiges Gendern, da es dem traditionellen binären Geschlechterbild treu bleibt und nur die beiden Enden des Geschlechterspektrums bedient.

Es gibt bereits Formen der Wortbildung, die als geschlechtsneutraler Ersatz für das unvollständige Gendern vorgeschlagen werden. Das geschieht meist durch Verzicht auf das generische Maskulin. Dass das Ergebnis bei drei bestimmten Artikeln nicht unbedingt zufriedenstellend ist möchte ich am folgenden Beispiel veranschaulichen:

Der eigentlich geschlechtslose Student wurde um die weibliche Form Studentin ergänzt, der Plural die Studenten erhielt eine weibliche Pluralform „die Studentinnen“. Das war einigen Sprachnutzern nicht ausreichend, weshalb der Begriff Studierende eingeführt wurde – sprachlich eigentlich falsch, da die Ableitung aus dem Partizip Präsens eine im Moment befindliche Handlung beschreibt und eine Studierende im Alltag nicht plötzlich zur Herumlungernden wird. Darüber hinaus bieten Wörter, die aus anderen Sprachen entliehen sind, die Möglichkeit zur Bedeutungsinterpretation. Der Student – also eine sich bemühende Person, wenn man nach der lateinischen Bedeutung geht – bietet mit dem Plural die Studenten eigentlich genug Freiraum zur Interpretation. Fünf Studenten können auch fünf weibliche Studenten sein. Oder zwei männliche und ein butch* Student und zwei genderqueere Studenten. (*butch, aus dem englischen, beschreibt eine homosexuelle oder queere Person, die betont maskulin auftritt.)

Wenn man Sexus und Genus eines Wortes in einen Topf wirft, ergibt sich die Problematik, dass man bei der Suche nach einem neutralen Wort ebenfalls darauf achten muss. Sein generischer Gebrauch muss auch für gemischte Gruppen praktikabel sein. Wenn das Wort „Lehrer“ aufgrund des männlichen Sexus nicht mehr von allen als allumfassend für ‚Lehrer‘ verstanden wird, dann ist eine „Lehrkraft“ aufgrund des weiblichen Sexus von „die Kraft“ eigentlich ebenfalls nicht geeignet, als geschlechtsneutraler Ersatz aufzutreten.

Weitere Lösungsversuche sind das Binnen-I, der Genderstern oder –doppelpunkt, die allerdings sprachliche Irritationen hervorrufen können. Da die Bedeutung eines Wortes von den Nutzern verändert werden kann, ist eine geschlechtsneutrale Form auch nur eine geschlechtsneutrale Form, solange die Menschen diese auch als solche verwenden. Für mich sind diese Lösungen eine verstümmelte weibliche Form, die den Lesefluss stören und die aufgrund der unnatürlichen Entwicklung dieser Wortform einen inneren Widerstand in mir hervorrufen. Diese Lösungen erscheinen mir am wenigsten elegant.

Andere Wortneuschöpfungen sind dabei treffender. Wenn eine Lehrerin und ein Lehrer Teil eines Lehrerkollegiums sind, dann kann aufgrund des neutralen Grundwortes Kollegium auch der geschlechtsneutrale Artikel „das“ seine Vorteile ausspielen. Es darf sich jedes Gender angesprochen fühlen.

Wer die Inklusion des gesamten Genderspektrums anstrebt, könnte sich auch ergänzend das Sprechen in Spektren angewöhnen. Statt „sehr geehrte Damen und Herren“ könnte man auch „sehr geehrte Damen bis Herren“ verwenden; analog „sehr geehrte Bürger bis Bürgerinnen“.

Eines ist für mich jedenfalls klar. Wer eine gesamtgesellschaftliche Sprachveränderung erreichen will, darf diese nicht von oben diktieren. Sprache lebt und praktikable Lösungen werden ihren Weg in den Sprachgebrauch finden. Es trägt aber auch jeder Einzelne die Verantwortung, sich als Teil des Ganzen zu verstehen. Jemand, der oder die sich nicht angesprochen fühlen wollen, werden nie zufrieden sein. An dieser Stelle endet dann allerdings mein Verständnis. Denn trotz aller Individualität der verschiedensten Lebensentwürfe müssen wir in einer Gesellschaft gemeinsame Nenner finden und das bedeutet eben auch viele Kompromisse.

Philipp Röll

PS: Mich interessiert eure Meinung dazu. Welche Art des Genderns findet Ihr in Ordnung oder was lehnt Ihr ab?

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Skurril: Anruf vom Weltrat der Weisen

Offizielle Kontaktdaten der UP in der Öffentlichkeit führen zu den verschiedensten Anfragen. Wir haben uns bisher über alle sehr gefreut, aber einige lösten zugleich Stirnrunzeln aus.

Der Anruf des „Weltrats der Weisen“ als Vertreter von „Scientists for Future II“ war der Ausschlag, dies einmal zu protokollieren. Es ist mit keinem politischen Thema verbunden und dieser Artikel verfolgt auch keinen todernsten Zweck. Es ist einfach interessant, vor allem auch für diejenigen, die als „freiwillige“ Ansprechpartner für ein Projekt in der Öffentlichkeit fungieren.

Der Anruf ereignete sich am Freitag, dem 9. November 2019, um 12:51 Uhr. Der Stimme nach zu urteilen sprach ein Mann um die 50 Jahre mit mir.

Text aus dem zusammengeflicktem Gedächnisprotokoll (UP)

(Anruf ans Parteitelefon)

UP: Guten Tag,  „UP-Vorstandsmitglied“ am Apparat.

II: Hallo, hier ist Herr „Tel. …27“ von Scientist for Future, Zwei. Ich hatte gestern schon versucht, Sie anzurufen. Sie sind von der Unabhängigen Partei?

UP: Ja richtig, habe ich gesehen. Scientist for Future? Ach so, es geht bestimmt um Hilfe bei der Anmeldung dieser Demo in Rostock. Gerne können wir …

II: Ist ja schön, dass Sie schon Kontakt hatten. Aber eine Frage zuerst: Haben Sie eine Flatrate? Dann müsste ich nämlich nichts bezahlen.

(Kurze irritierte Pause)

UP: Tut mir Leid, ich kann Sie nicht zurückrufen.

II: Na gut, man kann ja mal fragen, die meisten Leute haben ja eine Flat fürs Handy.

UP: Wenn Sie mit mir reden wollen, dann müssen Sie leider auch selbst mit den Kosten zurechtkommen. 😀 Also, worum geht’s?

II: Sie werden ja die Medienberichte verfolgt haben. Zur Rettung des Klimas fühlen sich gerade viele Leute berufen und man muss leider feststellen, dass weder Greta Thunberg noch Luisa Neubauer mit ihren Fridays for Future Demonstrationen wirklich etwas erreicht haben. Auch die anderen, wissenschaftlicheren Organisationen wie Scientists for Future sind auf dem Holzweg. Wir sind eine unabhängige Gruppe, die Scientist for Future II und wir suchen deswegen nach Kooperationspartnern. Wir sind dabei, ein schlagfähiges Bündnis aufzustellen, um die politischen Verhältnisse in Deutschland grundlegend zu verändern. Dabei unterstützen uns auch viele ernstzunehmende Professoren. Bei der regionalen Aufteilung von Deutschland geben wir ihrer Partei ein Bundesland, von dem Sie persönlich dann Ministerpräsident sein können.

(Ich denke mir schon: Oha, das kann ja heiter werden…)

UP: Entschuldigung, habe ich das richtig verstanden? Scientists for Future ZWEI??

II: Richtig. Wir haben Scientist for Future einen Deal für eine Fusion geschickt, aber wir bleiben getrennt. Das ist sehr schade, denn so werden sie scheitern.

UP: Ok, ich würde mich gerne einmal über ihre Organisation informieren. Haben Sie denn überhaupt eine Website? Ich sitze nämlich gerade am PC und habe bei Ecosia schon mal „Scientist for Future II“ eingegeben.

II: Ja! Bitte benutzen Sie Google und nicht Ecosia. Die unterdrücken unsere Suchergebnisse.

UP: Wie heißt denn jetzt ihre Website genau?

II: Geben Sie in das Googlesuchfeld folgendes ein: Zwei Punkt Scientists for Future. Oder: Zwei Punkt SCIENTISTS FOR FUTURE II-INITIATIVE WELTRAT (Bitte beides googlen mit Anführungszeichen). Es sollte auf der ersten Seite angezeigt werden. Der Weltrat der Weisen ist nämlich unser Partner in dem Projekt.

UP: Ich habe ratderweisen.net gefunden. Hier steht aber nichts von Scientist for Future Zwei.

II: Doch! Da gibt es mehrere Artikel zu.

UP: Okay, also…

II: Anders als Scientist for Future, muss man mal realistisch werden, wenn man die Welt noch retten will. Wir brauchen allein in Deutschland 900 Mrd. Euro, um den Kohleausstieg zu schaffen. Der Herr Volker Quaschning* hat sich einmal hingesetzt und diese Zahl ausgerechnet. Die jetzige Regierung wird das niemals dafür einsetzen.

(*Der Gründer von Scientists for Future, Nummer Eins.)

UP: … Okay. Also. Danke erst einmal, aber ich kann ja nicht die Webseite lesen während wir hier gleichzeitig telefonieren. Sie müssen mir Zeit geben. Kann ich mich nicht einfach unter einer E-Mail zurückmelden, sobald ich das mit den anderen besprochen habe?

II: Wir haben da direkt keine E-Mail. Wir machen eigentlich alles über Telefon.

UP: Das ist ein Problem, denn wir sind eine sehr netzaffine Partei. Meetings finden bei uns vor allem online statt.

II: Ja, da haben wir doch eine Lösung. Wir machen das per Telefonkonferenz.

UP: Das ist leider auch keine Lösung, denn damit hatten wir schon einmal organisatorische Probleme, mit anderen Gruppierungen, die das auch wollten. Ich glaube, dass es allein deswegen nicht zu einer Kooperation kommt.

II: Wie wollen Sie denn was verändern? Wissen Sie, ich hatte selbst einmal eine Partei gegründet und wieder aufgelöst. Das deutsche System ist einfach so ausgerichtet, dass die kleinen keine Chance haben. Da braucht man schon die Unterstützung von Prominenten wie Eckart von Hirschhausen, der ja gerade auch FFF öffentlichkeitswirksam hilft. Oder bei der AfD einen Alexander Gauland, der durch seine Prominenz die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht. Daran arbeiten wir auch schon, wir möchten gerne mit Greta Thunberg zusammenarbeiten. Und die meisten neuen Parteien scheitern doch, das müssen Sie doch wissen. Warum tun Sie das denn?

UP: Na ja, mir ist das schon alles bewusst. Man braucht nicht unbedingt Prominente wie Sie das sagen sondern muss auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort aktiv werden. Ich ziehe mein Engagement deswegen durch, weil ich vor allem idealistisch bin. Sie entwickeln jedenfalls solche ziemlich hochtrabenden Strategien. Haben Sie denn Greta Thunberg überhaupt schon mal gefragt? Was sagt die denn dazu?

II: Das kriegen wir schon noch hin. Leider habe ich sie vor kurzem verpasst, als sie im Hambacher Forst gewesen ist. Hätte ich das gewusst, wäre ich sofort hingefahren und hätte sie jetzt schon auf meiner Seite. Wenn Sie ein großes Ziel haben müssen Sie realistisch denken. Unterstützen Sie uns, die 9 Mrd. an Greta Thunberg zu geben.

UP: Das war gerade wirklich das beste, was ich heute gehört habe.

(II wird daraufhin sichtlich ungehaltener)

II: Aber …

UP: Ganz ehrlich — denn ich will ja auch nicht ihre Zeit hier verschwenden — ich habe das Gefühl, dass Sie mich nur bequatschen. Sie haben keinen seriösen Verein, keine E-Mail-Adresse und noch rein gar nichts erreicht.

II: Warum machen dann so viele Professoren bei uns mit? Für uns zählen nur die harten Wissenschaften. Physik, Chemie, Medizin — alles andere ist nur Rauschen. Unser Vorbild im Rat der Weisen sind die großen Namen. Isaac Newton, Darwin und Gregor Mendel, der zählt auch dazu. Vielleicht fehlt Ihnen ja das Verständnis für so schwierige Themen wie denen bei FFF.

UP: Ich habe einen Abschluss in Physik und glaube nicht, dass Sie mein Wissen zum Thema richtig einschätzen …

II: Dann stehen wir ja auf der gleichen Seite!

UP: … ich habe die Zeit übrigens nicht fürs Demonstrieren benutzt, sondern um wirklich etwas nachhaltig zu verändern und meinen Abschluss zu verdienen.

II: Das ist ja gut, bei uns sind nur Wissenschaftler, die mit physikalischen Methoden arbeiten. Mit der Physilk liegt man nie falsch.

UP: Wissen Sie, ich kenne einige Physiker, die ziemlich abwegige Ansichten vertreten, obwohl sie die meiste Zeit doch eigentlich harte Wissenschaft betreiben.

II: Also bei uns finden sich die Isaacs und Darwins des 21. Jahrhunderts. Wenn Sie nicht mit uns kooperieren wollen, fehlt Ihnen wohll das wissenschaftliche Verständnis. Werden Sie mal realistisch.

(An dem Punkt hatte ich auch keine Lust mehr)

UP: Wer bitte hier macht denn unrealistische Vorschläge? 900 Mrd. Euro an Greta? Können wir das Gespräch an dieser Stelle bitte beenden?

II: Ich finde es sehr schade für Sie, dass Sie nicht verstehen. Wir können meinetwegen aufhören.

UP: Das tun wir auch. Tschüss.

II: Noch einen schönen Tag.

Und das war’s. Seine Website ist nach all den Monaten übrigens noch immer online und offenbart, welch verwirrter Geist an diesem Tag mit mir gesprochen hat. Es ist trotzdem seltsam, wie redegewandt er zeitweise auftrat, obwohl offensichtlich ein psychisches Problem hinter der Sache steht.

Überarbeitet von Fiete Anders

Wie muss ein Formular für ein Lastschriftmandat aussehen? Eine Odyssee

Vereine und Unternehmen würden nicht ohne es klar kommen: Das SEPA-Lastschriftmandat. Was es genau ist, versteht der Laie kaum. Doch beginnt man als moderner Verein Mitgliedsbeiträge über Online-Banking einzuziehen (so wie wir) oder lässt als Unternehmen das neue Dienstleistungsprodukt per Lastschrift bezahlen, so fällt einem das Unwissen auf den Fuß. Im Internet kursieren die buntesten aber auch sehr spartanischen Vorlagen, wovon viele fehlerhaft sind. Noch größere Verwirrung entsteht dadurch, dass sich die Situation 2014 und 2016 scheinbar (!) geändert hat.

Das klingt nach finanziellen Spitzfindigkeiten, die (zu Recht) als lästig empfunden werden. Blickt man jedoch auf das große Ganze, so sieht man ein durchdachtes europäisches System funktionierender Bürokratie. Das ist gut, auch wenn es nicht so klingt. Es lohnt sich diese komplizierte positive Seite der EU zu erforschen.

Im folgenden nehme ich auf folgende Fundstellen Bezug. Wer nur wissen will, was die Vorgaben für ein SEPA-Lastschriftmandat sind, der solle einfach weiter nach unten scrollen und dort die definitive Liste vorfinden (rot markiert).

Lastschriften sind die häufigste Form bargeldlosen Zahlens, noch vor Überweisungen. Es gab bis vor kurzem (2016) noch die Einzugsermäßigung und den Abbuchungsauftrag speziell in Deutschland. SEPA-Lastschrift existierte aber schon seit 2010 und sollte diese vollständig ersetzen. Hierbei steht SEPA für Single European Payment Area, wozu auch z.B. die Schweiz zählt. In der EU-Verordnung 260/2012 wurden die langfristig übrig bleibenen Formen SEPA-Basislastschrift und SEPA-Firmenlastschrift — Der Unterschied ist hier nicht wichtig — zusammen mit den SEPA-Überweisunegn auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Hier wurde 2012 festgelegt, unter anderem die IBAN europaweit einheitlich vorzuschreiben. Es finden sich detailliert alle Anforderungen die bei SEPA-Überweisungen und -Lastschriften angebeben werden müssen und was die Einrichtung eines SEPA-Lastschriftmandats kosten darf (nämlich nichts). Angesprochen wird, welche Attribute der Gläubiger (Empfänger) zu seiner Bank 1 schicken muss, welche Attribute Bank 1 zu 2 schicken muss und welche Bank 2 zu 1.

Nun könnte man bei dem Detaillevel denken, dass man sich einfach an diesem grundlegenden Anforderungen für sein eigens Formular des SEPA-Lastschriftmandat für die Mitgliedsbeiträge orientieren muss. Doch tatsächlich ist im Gesetz nicht die Form des Mandats, sondern nur des Vorgangs vorgeschrieben. Ein Paradebeispiel, dass man beim Lesen von Gesetzestexten nicht übermütig werden darf. Jede Formulierung zählt.

Doch sucht man sein Heil in Sekundärquellen, so gerät man ebenfalls in die Bredouille. Es gibt nicht viele gute Erklärungen, wie die erste Website in der Liste oben. Findet man doch welche, so trägt sie meist ein Datum aus der Zeit von 2010 bis 2016. Das ist ein Problem, denn die die Situation hat sich über die Jahre grundlegend geändert und das liegt nicht zuletzt an einigen Teilen der EU-Verordnung selbst bzw. der veränderten Rolle der BIC.

Die BIC, die internationalen Bankleitzahl, war auch Teil der Verordnung, aber hatte in Überweisungen und Lastschriften eigenlich laut Plan der EU nichts zu suchen, denn die IBAN war eindeutig gestaltet. Trotzdem brauchte man sie in den Übergangszeiten der trägen Bankensysteme. Im Text steht direkt, dass es verboten ist, die BIC beim Benutzer abzufragen, wenn er eine Zahlung tätigen will — allerdings erst ab 2014 im Inland und ab 2016 überall. Ins Gesetz wurden somit direkt an mehreren Stellen Änderungen eingearbeitet. Bei Quellen, die sich indirekt darauf beziehen, bleibt unklar, welche Situation in welchem Jahr sie also beschreiben. Um zu schauen, ob die BIC auf das Mandat muss oder nicht, muss man die anderen Entscheidungsträger finden und bei Ihnen recherchieren … um dann festzustellen, dass die BIC zwar im Regelfall nicht mehr angegeben werden muss, aber das Feld für die seltenen Fälle trotzdem zwingend da sein muss. Wer und wie diese Entscheidungen getroffen und verteilt werden ist aber sehr interessant, deswegen geht es noch ein bisschen weiter in der Erklärung.

Man muss also herausfinden, welche Institutionen, das von der EU-Verordnung hinterlassene Mandatsvorschrifts-Vakuum füllen. Dank Wikipedia findet man heraus: Es ist der European Payments Council EPC, ein gemeinsames Gremien vieler europäischer Banken. Hier liegt also nicht nur ein Beispiel für fehlenden Überblick vor, sondern auch für eine Art der Arbeitsteilung auf europäischer Ebene. So verzahnt sich jede Branche mit den verschiedensten europäischen Verordnungen.

Der EPC bringt ein Regelbuch heraus, in dem die Anforderungen an die Mandatsformulare unter Abschnitt 4.7.2 verbindlich festgelegt werden. Sie wissen offenbar selbst, dass die reine Textform nicht hilfreich ist, und fügen dazu in einem separaten Dokument eine Leitlinie für das Erscheinungsbild von Mandaten hinzu, in dem die erforderlichen Felder in notwendig und optional aufgeteilt werden und visuelle Beispiele gegeben werden. Interessant dabei ist, dass in jedem Mandat rechtliche Bausteine vorgegeben sind. Und zwar exakt:

The legal wording on the mandate should be reproduced as outlined in section 4.7.2 of the SDD Core and B2B rulebooks without any alteration or omission of the wording.

Als wir unsere ersten SEPA-Lastschriftformulare erstellt haben, war uns das nicht bewusst gewesen; auch nicht, dass weitere Felder den Bereich des Lastschriftmandats nicht unterbrechen dürfen. Und es ist erstaunlich, dass der folgende Textbaustein in den meisten Vorlagen fehlt, wenn man im Internet nach PDF-Vorlagen sucht:

Note: Your rights regarding the above mandate are explained in a statement that you can obtain from your bank.
(Hinweis: Meine / Unsere Rechte zu dem obigen Mandat sind in einem Merkblatt enthalten, das ich / wir von meinem / unserem Kreditinstitut erhalten kann.)

(bzw. im Originaldokument unter 4.7.2)
Furthermore, the mandate must contain the following legal wording:
“Your rights are explained in a statement that you can obtain from
your bank.”

Dummerweise sind die Rechtstexte alle auf Englisch. Eine deutsche Übersetzung wird nachgeliefert in einem letztem separaten Dokument. Echte Sorgfalt verlangt knallhartes Einlesen und Kombinieren; was wir hoffentlich vielen ersparen können, indem wir auflisten, was alles in einem Formular für ein SEPA-Basislastschriftmandat vorkommen muss.

Erforderlich zur Erstellung eines eigenen SEPA-Formulars sind:

  1. Exakte Überschrift „SEPA-Lastschrift-Mandat“
  2. „Name des Zahlungsempfänger: Unabhängige Partei
  3. irgendwo auf der Seite: „Straße und Hausnummer des Zahlungsempfängers: Steinstraße 8A
  4. „Postleitzahl des Zahlungsempfängers: 23996
  5. „Ort des Zahlungsempfängers: Bad Kleinen
  6. „Land des Zahlungsempfängers: Deutschland
  7. Zeile „Zahlungsart: Wiederkehrende Zahlung“ oder „Zahlungsart: Einmalige Zahlung
  8. Zeile „Gläubiger-Identifikationsnummer: DE05ZZZ00002239803
  9. Zeile: „Mandatsreferenz: UP Beitrag
  10. Obere Zeile mit Autorisations-Rechtsbelehrung mit den exakten Worten: „Ich ermächtige/ Wir ermächtigen (A) [Name des Zahlungsempfängers], Zahlungen von meinem/ unserem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich (B) weise ich mein/ weisen wir unser Kreditinstitut an, die von [Name des Zahlungsempfängers] auf mein/ unser Konto gezogenen Lastschriften einzulösen.“
  11. Obere Zeile mit Erstattungs-Rechtsbeleherung mit den exakten Worten: „Hinweis: Ich kann/ Wir können innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Es gelten dabei die mit meinem/ unserem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.“
  12. [Leerfelder, minimal 5 voneinander getrennt. Siehe unten]
  13. Fußzeile für weitere verpflichtende Rechtsbelehrung mit den exakten Worten: Hinweis: Meine/ Unsere Rechte zu dem obigen Mandat sind in einem Merkblatt enthalten, das ich/ wir von meinem/ unserem Kreditinstitut erhalten kann/ können.
  14. Vorgabe: Das Mandat muss klar und deutlich von anderen Textteilen des Formulars getrennt sein. Innerhalb der festgelegten Grenzen des Mandats darf kein zusätzlicher Inhalt erscheinen.
  15. Vorgabe: Auf der gleichen Seite, auf der das Mandats aufgedruckt ist, müssen klare Anweisungen für den Zahlungspflichten zur Rückgabe des  Formulars sein. Z. B. „Bitte reichen schicken Sie das ausgefüllte Mandat an Unabhängige Partei // Steinstraße 8A // 23996 Bad Kleinen oder übergeben es direkt dem Vorstand.

Es fehlen nur noch eine Reihe von Leerfeldern für den „Schuldner“. Sie müssen folgendermaßen korrekt beschriftet werden:

  • „Name des Zahlungspflichtigen (Kontoinhaber)
  • [entfällt ggf.: Adresse]
  • Postleitzahl/Ort“ des Zahlungspflichtigen
  • Land“ des Wohnorts des Zahlungspflichtigen
  • IBAN“ des Zahlungspflichtigen
  • [entfällt ggf.: BIC]
  • Unterschriftsfeld „unterzeichnet in“ (Ort und Datum)
  • Unterschriftsfeld „Unterschrift(en) des Zahlungspflichtigen

Es entfällt die Adresse und auch die BIC des Zahlungspflichtigen. Eine Ausnahme besteht, wenn er außerhalb des SEPA-Raums wohnt. Wie eingangs erwähnt ist es vom Gesetzgeber grundsätzlich nicht mehr beabsichtigt, die BIC einzufordern. In der obigen EU-Richtlinie steht ausdrücklich:

(7)   Nach dem 1. Februar 2014 für Inlandszahlungen und nach dem 1. Februar 2016 für grenzüberschreitende Zahlungen fordern Zahlungsdienstleister Zahlungsdienstnutzer nicht auf, die BIC des Zahlungsdienstleisters eines Zahlers oder des Zahlungsdienstleisters eines Zahlungsempfängers anzugeben.

Sollte die Satzung des Vereins prinzipiell auch Mitgliedschaften erlauben bei einem gleichzeitigen Wohnsitz außer der EU bzw. genauer des SEPA-Raumes, dann kann man jedoch die Felder einfügen. Um es weniger nervig für die Hauptzielgruppe zu machen vielleicht folgendermaßen:

  • „Adresse (wenn außerhalb von DE)“ des Zahlungspflichtigen
  • „BIC (wenn außerhalb von DE)“

Die Frage nach diesen Feldern erübrigt sich jedoch, wenn das Formular mit einem Mitgliedsantrag verbunden wird, bei dem die Adresse natürlich abgefragt werden muss. Den Vorlagen des European Payment Councils zufolge sind solche kombinierten Formulare ausdrücklich erlaubt. Es muss nur, wie bereits erwähnt, auf die strikte Trennung des Inhalts geachtet werden.

Wer bis hierhin durchgehalten hat, herzlichen Glückwünsch. Für mich entwickelte sich eine seltsame Faszination für dieses bürokratische Spiel, wie es David Graeber („Bürokratie. Die Utopie der Regeln“) nennen würde.

Eric Andersen

Demonstrationen gegen Artikel 13: Wir waren dabei!

Am 13.03.2019 hielt ich als UP-Vertreter eine Rede anlässlich der europaweiten Demonstrationen gegen Artikel 13 bzw. in der deutschen Version Artikel 17. Wir UP-Mitglieder aus MV trafen uns in Rostock auf dem Universitätsplatz mit dem Veranstalter Dennis Klüver und schauten zu, wie der Platz sich mit ca. 600 Leuten füllte. Als Mitgestalter der Demo gab ich per Megafon den Beginn der Demo bekannt und erläuterte kurz grundlegende Fragen, wie: Was ist die EU-Urheberrechtsreform? Wen muss man in diesem Zusammenhang kennen? Was wird demnächst passieren? Für wen gilt Artikel 11 und 13? Was ist SaveTheInternet.info?

Danach setzte sich der Zug in Bewegung in Richtung Rosengarten. Dort angekommen hatte ich erneut die Ehre die erste Rede zu halten und wurde dabei gefilmt. Ein Teilnehmer lud es am gleichen Tag auf YouTube hoch und man findet die Rede seitdem unter https://youtu.be/np0lvAgA3Xk?t=107

Im Folgenden teile ich hier das Manuskript, welches kurz nach der erneuten persönlichen Vorstellung einsetzt. Da sich die Gegner der Urheberrechtsreform-Novelle nicht durchsetzen konnten, sind die angesprochenen Themen noch immer diskussionswürdig. Haltet die Debatte am Leben und springt nicht über jeden Stock, den euch Bürokraten wie Axel Voss hinhalten!

Ich freue mich, dass ich heute hier sein kann!

Es gibt zurzeit viel Reibung zwischen den großen Verlagshäusern und neuen Medien. Hier liegt der Grund warum die EU-Urheberrechtsnovelle diese Passagen Artikel 11 und 13 enthält, bzw. 15 und 17. Das ist offenbar ein Werk von Lobbyisten.

Wir von der Unabhängigen (Neodomokratischen) Partei wurden mit dem Ziel gegründet, Unabhängigkeit von Wirtschaftslobbyismus zu erreichen. Deswegen haben sich unsere Mitglieder ganz natürlich dem Projekt SaveTheInternet angeschlossen.

Vor einem halben Jahr gab es hier in Rostock eine Flyerverteilungsaktion von SaveTheInternet, bei der ich als Privatperson dabei war. Ich bin überrascht gewesen wie unglaublich positiv die Reaktionen der Leute waren. Das hat mir drei Sachen gezeigt:

1. Leute mit den unterschiedlichsten politischen Ansichten wollen alle ihr bisheriges Internet behalten. Man kommt mit dem Thema ins Gespräch, egal ob man Aktivist, Mitglied einer Partei oder unpolitisch ist.
2. Der Schritt von der digitalen in die reale Welt ist klein. Sie verschmelzen schon längst miteinander.
3. Die Message von damals kam nicht an! Also in Rostock schon, aber nicht bei den Entscheidungsträgern im EU-Rechtsausschuss.

Wir müssen also etwas tun. Fragen wir uns: Wem gehört das Internet?

Na ja, eigentlich uns allen. Aber tatsächlich Google und der NSA.

Axel Voss, derjenige der den Entwurf im EU-Parlament vertritt, möchte die großen Player regulieren und das ist auch vollkommen richtig. Aber die Art und Weise ist vollkommen falsch! Das Internet kann und darf nicht so kontrolliert werden. Axel Voss sagt immerzu: Die Internet-Unternehmen müssen vorsorgliche Maßnahmen treffen, um das Urheberrecht einhalten zu müssen. Aber die Uploadfilter würden nicht kommen, denn sie stehen ja nicht im Text. Den sollen wir einfach mal lesen. Axel Voss ignoriert zwei Sachen,
1. dass es gar nicht anders gehen wird, als das Urheberrecht mit Uploadfiltern durchzusetzen und
2. dass die Urheberrechtsfilter schon längst da sind! Auf YouTube!

Jeder schaut heutzutage YouTube-Videos und unglaublich viele Menschen laden Videos hoch: Pro Tag werden zigtausende Stunden Videomaterial hochgeladen!
Bestimmt sind auch einige YouTuber unter euch, vielleicht ja der Rostocker YouTube-Channel Marshell. Viele haben schon Videos hochgeladen und es ist doch normal, dass man sich auch Material aus Serien und Filmen zur Vorlage nimmt um daraus etwas neues zu erstellen. ZB Parodien, z.B. lustige Videos die vor allem für die Freunde gedacht sind. Habe ich auch mal getan. Dann sperrt YouTube das Video umgehend, noch bevor es veröffentlicht wird, denn YouTube glaubt, ich hätte eine Serie zum kostenlosen Ansehen hochgeladen.

Man erhält dann eine so informative Nachricht, wie man sie aus Warteschleifen von Telefonanrufen kennt. Dann muss man selbst aktiv werden, um zu beweisen dass das Video rechtens ist. Man ist schuldig, solange man nicht seine Unschuld beweist. Es folgen Formulare und Verzögerungen. Entschuldigt mal, ich möchte nicht Passierschein A38 beantragen, ich möchte von der Kunstfreiheit Gebrauch machen. Dazu gehören Memes und YouTube-Videos!

Artikel 13 und 11 bedeutet Uploadfilter im europäischen Teil des Internets; sie bedeuten noch strengere Uploadfilter auf YouTube, erbarmungslose Uploadfilter, mehr Frustration. Das Internet wird Stück für Stück von den Nutzern weggenommen und den Big Playern zugespielt. Z.B. den Geheimdiensten, NSA ist das Stichwort. Die freuen sich doch über eine Filterstruktur! Aber das wirklich Schizophrene ist, dass Google, Facebook und Amazon zwar angegriffen werden solllen, um die Urheber zu schützen. Aber letztendlich (!) gibt es einfach ein Filter-Oligopol, da nur die Großen in der Lage sind Filterdatenbanken anzubieten. Alle Kleinen müssen wieder blechen. Klingt für mich nicht nach einer Regulierung, sondern wie ein krummes Tauschgeschäft.

Das Internet basiert auf dem Wunsch nach Vernetzung nach persönlichen Austausch. Doch es wird nicht von dem Gedanken an menschliche Vernetzung dominiert, sondern von der Logik der Schwerindustrie. Wenn die Politik sich auf diese Logik der Schwerindustrie einlässt, dann haben wir Nutzer schon verloren.

Es ist wirklich seltsam. Das Internet hat unser aller Leben verändert, aber niemand hat darüber bisher abgestimmt, was für ein Internet wir wollen. Wann habt ihr je über das Internet abgestimmt?

Das ändert sich jetzt! Wir stimmen ab, wir fordern ein menschliches Internet mit allen menschlichen Fehlern und Schwächen. Aber es ist fortan unser Internet!

Ich hoffe wir erreichen das mit unserer Demonstration. Meine große Befürchtung ist, dass die Entscheidungsträger denken, Google und Co hätten uns aufgestachelt. Nein, sie dürfen nicht den Schluss ziehen, dass die Unternehmen Macht über uns und die politischen Entscheidungen haben. Nein, Axel Voss soll merken, dass es die Basis ist. Es geht nicht um Googles Profite, es geht um Einschnitte in unser Leben, digital und hier auf der Straße.

Und darum demonstrieren wir. Wir sind keine Bots. Vielen Dank.

Eric Andersen

Nie mehr reden, ohne etwas zu sagen!

Bullshitting ist das Produkt eines Täuschungsversuchs, der die eigene Angriffsfläche — oft nur Unwissen — vernebeln soll und optimalerweise eine bestätigende Wirkung beim Adressaten bewirkt. [1] Der Spiegel-Autor Alexander Demling findet nachempfindbare Beispiele für den alltäglichen Bullshit im Büro: „Wir parlieren über Bestseller, die wir nie gelesen haben. Loben Serien, von denen wir vielleicht einen YouTube-Trailer kennen. Quatschen über Länder, die wir nie besucht, oder Menschen, die wir nie getroffen haben. Viel reden, wenig sagen“.

Das Ziel des Bullshittings ist also eine schöne Fassade während es einem gleichzeitig einerlei ist, wie die Dinge wirklich liegen. Man entledigt sich so bequem der Sorgfaltspflicht. Wem fallen an dieser Stelle nicht Politiker ein? Man muss sie jedoch teilweise in Schutz nehmen. Die Erwartung von Bürgern in Fragestunden und Journalisten in Interviews, dass Politiker zu JEDEM Thema eine Meinung äußern können müssen, ist nicht erfüllbar.

Dann besteht auch das grundsätzliche Problem, dass Politiker im Wettstreit zueinander stehen. Sie vermeiden konkrete Aussagen wie der Teufel, um ja keinen potentiellen Wähler zu verschrecken. Sie können es sich einfach nicht leisten, „unliebsam“ zu erscheinen.

Oder inzwischen doch? Im hervorragenden Video „Arguing over Nothing“ untersucht der YouTuber CounterArguments ob der Politikertypus eines Donald Trumps, diese Regel über den Haufen wirft. Um es kurz zu machen: Nein. Donald Trump nutzt absichtlich missverständliche Aussagen, die von seinen Anhängern positiv ausgelegt werden und von seinen Gegnern negativ. Dadurch entsteht eine Kontroverse. Und der öffentlichen Protest (jedesmal vorhersehbar und in seiner Natur geradezu pawlowschisch) gibt uns die Illusion, dass Trump eine hitzige Debatte angestoßen hat. In Wirklichkeit streitet man aber über Nichts — daher der Name des Videos. Aufzuzeigen, dass wir Menschen zu schnell von Aussagen trotz fehlender Informationen zu Wertungen springen, und dass solche Meinungsbildung über Hohlphrasen ausgenutzt wird, ist ein großer Verdienst dieses 24 minütigen Essays. Bullshitting hat also viele Facetten; keine davon ist lösungsorientiert oder wissenschaftlich fundiert.

Nun kann man nicht gerade sagen, dass die Politiker wissenschaftliche Argumente komplett ignorieren. Sie nutzen sie trotzdem als Grundlage der Politik, weil sie per se nützlich sind. Selbst für Politiker, für die Bullshitting ein legitimes Mittel ist — für uns nämlich nicht —, ist es wichtig, das Bullshitting nicht zu kultivieren. Ansonsten wird man blind gegenüber realen Lösungen und verliert die Fähigkeit Teil eines ungleichen Teams zu sein. Was hält Koalition denn sonst zusammen außer der kleinster gemeinsame Nenner in der Form eines konkreten „wirklichen“ Zieles?

Als Teilzeitidealist hat man Größeres im Sinn. Ich möchte im folgenden eine Vision vorstellen.

  • In 2029 werden eigensinnige Meinungen gesellschaftlich belohnt, nicht bestraft. Wir haben dann indem wir mit gutem Beispiel vorangehen ein Klima geschaffen, in dem Leute des öffentlichen Lebens nur noch zitiert, nicht mehr durch den medialen Fleischwolf gedreht werden. (Bsp. Steffen Kretschmer)
  • Jedes einzelne Vorkommnis von Doppelsprech von Politikern (wie hier dargestellt), eine Unterform von extremen Bullshitting, wird von der Öffentlichkeit nicht toleriert.
  • Am wichtigsten ist jedoch, dass dort, wo es möglich ist, dem Bullshit einfach die Grundlage entzogen wird. Das System soll; nur weil nichts gegen das Unwissen getan wurde!

Der letzte Punkt packt den realen Irrsinn an, den man immer wieder erlebt. Wer sich fragt, warum so viel Steuergeld hier und wonanders verschwendet wird, der findet bei extra 3 die Antwort.

Ausgerechnet aus der Welt der klinischen Forschung am Menschen gibt es einen Wirkstoff gegen Bullshit. RCTs, Randomisierte kontrollierte Studien. Sie werden dort als Goldstandard gehandelt. Das Herzstück von RCTs ist die rein zufällige Einteilung in behandelte Gruppen und Kontrollgruppe, welche beide gleichermaßen beobachtet werden. Dies kann ohne weiteres auf viele staatliche Progamme übertragen werden.

Die einzuführende Regel ist: Staatsausgaben für Verbesserungen der Lebensituationen sollen grundsätzlich nur dann getätigt werden, wenn ihre Wirkung mit der Methode der Randomisierten kontrollierten Studie überprüft wird.

RCTs funktionieren nicht in allen Feldern, aber entkoppelt Steuergeld von Wahlgeschenken, Lobbyismus (unser Herzensthema) und Ideologie. Auch diese Idee ist bequemerweise in einem YouTube-Video von nerdwriter1 erklärt: Why So much Tax-Money is wasted.

Es gibt keine Alternative dazu, Entscheidungen wissenschaftlich fundiert zu treffen. Jeder kann sich einfach selbst den Kampf gegen den eigenen Bullshit führen und so unsere politische Arbeit dagegen impfen. Mir sind insbesondere wissenschaftliche und literarische Verweise in unseren Positionspapieren wichtig. Dazu gehört, dass wir die Quellen diskutieren, verstehen und gewissenhaft zitieren. Etwas durch Hörensagen zu untermauern ist einfach nicht genug!

Wenn wir uns solche Sorgfalt nur ein wenig mehr zu Herzen nehmen würden, könnten wir endlich in der Politik, auf der Arbeit und in unseren Beziehungen aufhören, über eigentlich nichts zu streiten.

Eric Andersen

[1] Harry G. Frankfurt: On Bullshit. Princeton University Press, Princeton, New Jersey 2005, ISBN 0-691-12294-6

Neodemokratie, die den Namen verdient hat

Als junge Partei hören wir uns gerne neue Ideen an. So besuchte uns ein hier nicht genannter Nutzer auf discord.neopartei.de und schrieb uns am 12.07.2019 unvermittelt einen langen Post mit Gedanken, die mehr oder weniger eine „Neodemokratie“ beschreiben. Allerdings eine, die den Namen wirklich verdient hat. Die Nachricht schlummerte einige Zeit im Chat bis sie ausgiebig am 11.08.2019 auf unserer Sonntagssitzung diskutiert wurde. Es gab reichlich Pro- und Kontra-Argumente zu der Vision. Zu finden ist die Audioaufnahme hier: https://intern.neopartei.de/index.php/s/Np2DQHCe6yCnQJ2

Hier der überarbeitete Text, für alle, die sich selbst ein Bild machen wollen.

Hallo zusammen,

Ich habe letztens beim Wandern eine Idee gehabt, welche das Wahlsystem grundlegend ändern würde. Ich bin absolut kein Experte und kann nicht beurteilen, ob das nachfolgende ein riesiger Schwachsinn ist oder ob es diese Ideen schon lange gibt. Da ich meine Idee teilen wollte und ich dieses Projekt hier anfangs beobachtet hatte, hoffe ich dass es OK ist, dass ich das hier poste. Falls es nicht angemessen ist, da es mit der Partei und den Zielen nichts zu tun hat möchte ich mich entschuldigen.

Demokratie+

Viele Menschen fühlen sich von der Regierung und den jeweiligen Parteien nicht oder nur teilweise verstanden.  Die Wahlbeteiligung ist in den letzten 30 Jahren um etwa 15 % gesunken und die Protestwählerschaft wird zunehmend größer. Bei jeder Wahl stehen immer mehr Menschen vor der  Frage welcher Partei sie ihre Stimme anvertrauen. Nur selten kann sich der Wähler komplett mit einer Partei identifizieren. Auch haben einige Parteien in verschiedenen Bereichen eine gleiche oder sehr ähnliche Ansicht.  Wähler „X“ findet Beispielsweise die Umweltpolitik der Grünen ansprechend, kann sich aber sonst mit den „linken“ Tendenzen nicht identifizieren. Bei der Flüchtlingspolitik ist er AFD-nah, das Wahlprogramm kann er sonst allerdings nicht unterstützen, da er für ein starkes Europa steht. Wähler „X“ findet bei jeder Partei also Programmpunkte, welche er ansprechend findet und andere, die ihm nicht zusagen. Durch das momentane System wird Wähler „X“ nun genötigt eine Partei zu wählen, welche beispielsweise nur zu 60 % seinen Ansichten entspricht.

Stellen wir uns nun vor, der „Wahlkampf“ spielt sich nicht mehr zwischen den verschiedenen Parteien sondern zwischen Programminhalten ab. So könnte der Wähler parteiunabhängig nach seinen Ansichten wählen. Die Parteienlandschaft, wie wir sie momentan kennen, gäbe es so nicht mehr. Es würden viel mehr Arbeitsgruppen (AGs) entstehen, in denen Politiker der gleichen Gesinnung (parteiunabhängig) oder Parteilose zusammenarbeiten würden. Es wäre die Idee Wissenschaftler und Experten in den jeweiligen Arbeitsgruppen aufzunehmen. Ziel wäre es, dass tendenziell nur Experten auf dem jeweiligen Gebiet arbeiten und nicht wie oft üblich irgendwelche Politikers die alle paar Jahre von Familienministerium zu Verteidigungsministerium etc. verschoben werden. So würde es in allen Bereichen wie Bildung, Außenpolitik, Umwelt etc. verschiedene Arbeitsgruppen geben. Bei jeder Wahl wird pro Bereich eine Arbeitsgruppe gewählt. So ist es theoretische möglich in allen Bereichen nach den eigenen Ansichten zu wählen. Natürlich würden dann die Arbeitsgruppen gewählt werden, welche dem Wähler die besten Steuerersparnisse oder Ähnliches versprechen würden. Damit es nicht dazu kommt, ist es von elementarer Bedeutung, dass die prognostizierten Steuereinnahmen sowie andere Einnahmen vom Bund vor jeder Wahl offengelegt werden. Jede Arbeitsgruppe müsste die Kosten bzw. die mögliche Einsparungen für die jeweilige Legislaturperiode bekannt geben und verifizieren lassen (Wert „G“). Der Wähler kann also den Wert “ G“ auf den verschiedenen Arbeitsgruppen aufteilen, nicht aber mehr.

Durch diese neue Form des Wahlsystems wäre es möglich, dass bei guter Arbeit einer Arbeitsgruppe diese für X Legislaturperioden im Amt bleiben. Sollte eine AG nicht den Erwartungen entsprechen, kann diese nach einer Legislaturperiode (die Länge müsste eventuell neu definiert werden) abgewählt werden und eben nicht die komplette Partei/Koalition, die in manchen Bereichen vielleicht gute Arbeit geleistet hat. Eventuell wäre es so auch möglich, dass die Politik wieder langfristiger plant und nicht nur auf X Jahre im Voraus. Die Flüchtlingspolitik braucht zum Beispiel einen langfristigen Entwicklungsplan für betroffene Länder und eben nicht eine Einmalzahlung von X Mio. € die in den korrupten Regierungen verpuffen.  Liebe Grüße und schönes Wochenende.

Das Thema „Erneuerte Demokratie/Neodemokratie“ ist zwar noch nicht in eine gesamtgesellschaftliche Diskussion übergegangen, aber findet sich vereinzelt schon in der Fachliteratur. Jemand, der früh selbstbewusst von dem Konzept Neodemokratie sprach, ist Klaus von Beyme — bei Politikwissenschaftler durch seine Bücher sehr bekannt. In „Von der Postdemokratie zur Neodemokratie“ gibt er Vorschläge für eine Demokratiereform, die von seinem Glauben an den Parteienstaat getragen sind. Er schreibt: „Fast alle hier behandelten Teilreformen können als Beiträge auf dem Weg zur Neodemokratie gewertet werden.“[S. 113] Er sträubt sich dagegen, anders als unser Discord-Besucher, eine konkrete Neodemokratie zu beschreiben und stellt sogar den analytischen Wert des Terminus „Neodemokratie“ in Frage.[S. 149] Er sieht ihn jedoch als schlagkräftigen Gegenbegriff zur grauen Postdemokratie und stellt mit seinen theoretischen Beschreibungen einen Acker bereit, auf dem andere ihre Visionen gedeihen lassen können. Möglicherweise stellt das, was wir hier sehen, einen Beginn dar, wenn auch ganz anders als in der Theorie.

Überarbeitet von Philipp R.

Doppelmitgliedschaften in der UP: Kein Problem!

Schon gewusst? Die Mitgliedschaft in der Partei steht grundsätzlich auch Mitgliedern anderer Parteien und Mitgliedern anderer politisch tätigen Organisation offen …

Dies steht Wort für Wort in der Satzung der Unabhängigen Partei! Seit unserer Gründung gehört Paragraph 5.1 Absatz 2 zu unserem Selbstverständnis.

Anlass für diesen Blogbeitrag war die Frage eines Mitglieds. Juristische Spitzfindigkeiten sind immer mit Gefühlen der Unsicherheit verbunden; darum gehe ich direkt darauf ein.

Hey Eric, ab wann sind Doppelmitgliedschaften relevant? Ich bin ja nebenbei Mitglied bei ‚der PARTEI‘ (just for fun), ohne ‚politische Arbeit’zu betreiben. Inwieweit ist das aktuell ein Problem für uns? Soweit ich weiß wäre so eine Doppelmitgliedschaft ja erst bei Bundestagsmandaten problematisch, oder? Bzw. wird es hier konkret abgelehnt? Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht und es ist mir erst wieder eingefallen, als ich den Mitgliedsbeitrag zahlen musste. :0

Die Sache mit den Bundestagsmandaten hatten wir in einer früheren Sitzung besprochen. Da gemäß § 21 Bundeswahlgesetz, Kandidaten nicht Mitglied einer anderen Partei sein dürfen, führt eine Doppelmitgliedschaft dazu, dass man tatsächlich nicht für den Bundestag kandidieren darf. Diese Einschränkung hatte man erst 2008 eingeführt und ist offensichtlich eine Reaktion auf die offenen Listen der PDS zur Bundestagswahl 2005, durch die auch WASG-Mitglieder in den Bundestag einzogen.

In den Landes- und Kommunalwahlgesetzen[1] gibt es diese Einschränkung nicht! Du kannst also durchaus Repräsentant unserer Partei werden trotz Doppel- oder sogar Nichtmitgliedschaft. Die Aufstellung von Nichtmitgliedern ist in der Satzung unter Paragraph 6.6 Absatz 5 festgeschrieben.

Was bei uns zählt sind die Ideen und die Persönlichkeit und keine geheuchelte Loyalität. Bestimme Ziele lassen sich auch parteiübergreifend verfolgen und dabei können Doppelmitglieder einen entscheidenden Beitrag liefern.

Es gibt jedoch gewisse Parteien und Organisationen, die mit uns unvereinbar sind. Weil man leider immer Störenfriede in Betracht ziehen muss, haben wir noch eine weitere Regelung.

Beachte: Deine Mitgliedschaft in einer anderen politischen Organisation muss in unser Mitgliederverzeichnis eingetragen werden. Einen Beitritt zu verschweigen ist nicht erlaubt.

So viel zu unseren bestehenden Mitgliedern. Dem Satz ganz zu Anfang des Kapitels schließt sich nur noch dieser zweite Teil an:

„… die bestehende oder ehemalige Mitgliedschaft in solchen [Organisationen] ist mit dem Antrag auf Mitgliedschaft anzuzeigen, sofern diese nicht länger als 10 Jahre zurückliegen.“

Doch das ist wirklich alles, was neue UP-Antragsteller und Multitasking-Politiker dazu wissen müssen.

Eric Andersen

[1] Jedenfalls alle, die ich mir bisher angesehen habe. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege.

Niedergang der Ostwirtschaft: Ich glaube, es wäre kein Schrott gewesen

In dem Artikel „Das Trauma der deutschen Einheit“ in der FAZ geht Rainer Hank den Gründen nach, warum die Ostdeutschen denken, dass die Wiedervereinigung wirtschaftlich nicht funktioniert hätte. Zitat:

Rainer Hank: Schock und Trauma des Systemwechsels wären nicht zu vermeiden, so fatalistisch es klingen mag.
Woran das liegt? Es könnte damit zusammenhängen, dass es in einer Marktwirtschaft keine „objektiven“ Werte gibt. […]
Plötzlich waren die Fabriken und die DDR-Produkte nichts mehr wert. Niemand, auch niemand in Osteuropa und selbst in den neuen Bundesländern, wollte noch einen Trabant kaufen, den zugeteilt zu bekommen kurz vorher noch ein großer Wert gewesen wäre. An der objektiven Beschaffenheit des Trabant hatte sich nichts geändert. Trotzdem war er wertlos geworden.

Selbst wenn die ostdeutschen Fabriken nicht so abgewirtschaftet gewesen wären, wie sie es waren, hätten sie trotzdem keinen Wert mehr besessen. Sein Artikel endet mit einer Feststellung, dass man damals einen anderen Blickwinkel gebraucht hätte, aber es sowieso langsam mit der DDR zu Ende gehen musste:

Rainer Hank: Es kommt nicht auf Kapital und Transfers an, es kommt auf Ideen an. Aber wer hätte für diese Erkenntnis weitere 30 Jahre Sozialismus in Kauf nehmen wollen?

Im Kommentarbereich sticht ein Thread, begonnen von „suedbadener“, hervor. Er weist darauf hin, dass es durchaus Know-How und vereinzelt auch Qualitätsprodukte in der DDR gab, trotz der ungleichen Ausgangssituation im Vergleich zum Westen. Er macht die Treuhand für den Niedergang der 90er-Jahre verantwortlich und steht damit nach Darstellung von Hank auf der Seite der meisten Ostdeutschen. Hank war im Artikel der Meinung, dass die Rolle der Treuhand verklärt wird. Dem widerspricht suedbadener:

Thread: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hanks-welt/hanks-welt-das-trauma-der-deutschen-einheit-16316572-l1.html#comments

suedbadener:

Die „fehlenden Ideen“ der DDR haben wir bei Quelle gekauft…

Mit Verlaub, z.B. meine „Revue“-Spiegelreflex-Kamera aus DDR-Produktion, gekauft bei Quelle 1982, funktioniert heute noch – das Digital-Foto-Zeitalter begann erst 20 Jahre später. Die K-Bajonett-Objektive in erstklassiger Qualität passen auch heute noch auf modernste Digitalkameras. „Privileg“-Waschmaschinen, Kühlschränke, Werkzeuge, Bekleidung…
Ja, der größte Teil der DDR-Wirtschaft arbeitete auf uralten Maschinen – aber die Ideen in den Köpfen und Plänen der top ausgebildeten Ingenieure, die waren vorhanden und gut.
Die Ossis standen zweimal im Regen: Nach dem Krieg waren sie die, die Reparationen leisteten, während die BRD von den USA gepäppelt wurden. Die „SBZ“ war vom Rohstoffembargo der USA stranguliert, während der „sozialistische große Bruder“ sie zur Ader ließ.
Und die Treuhand machte kaputt, was die Russen übrig gelassen hatten. –
Die Realität ist doch etwas komplexer als „Hanks Welt“

Es gab eine Reihe von Antworten darauf. Herheb stimmt zu und nennt ein paar gelungene Ansätze der DDR-Ökonomie, die bis heute ausstrahlen.

Herheb:

Im Verkehrsmuseum Dresden kann man einen Wartburg mit Fließheck als Prototypeinen sehen, gebaut in den sechziger Jahren, lange vor Golf & Co. Und den einzigen 1- MB- Schaltkreis von Deutschland (das ist der, über den so viel von denen gespottet wurde, die selber die Dinger nur aus USA oder Asien bezogen haben), hat eine kleine Gruppe ostdeutscher Ingenieure (ZMD) in Tag- und Nachtarbeit entwickelt, um das Embargo zu brechen. Es hat schon seinen Grund, dass viele namhafte Halbleiterfirmen nach der Wende nach Dresden gezogen sind. Die EX- DDR mußte (!) ihre Wirtschaft an die Bedürfnisse der russischen Besatzer ausrichten und als die Russen am Ende waren und ihre Rechnungen nicht mehr bezahlt haben. 7,5 Mrd. Euro Schulden, von denen Schröder Putin sieben Mrd. 2004 beim Besuch erlassen hat, waren für das kleine Land viel Geld. Und da hat man angefangen, seine hochwertigen Konsumgüter zu Dumpingpreisen zu exportieren und die Geschäfte wurden leerer und leerer – der Anfang vom Ende…

Der Nutzer freier.buerger ist mit den Aussagen von OP nicht ganz einverstanden.

freier.buerger:

Wovon reden Sie denn konkret?
1. Den Soli zahl(t)en alle, auch die Ossis!
2. Die meisten Milliarden, die in den Osten flossen, gelangten in aufgekaufte (teilweise für 1 Mark) Betriebe, also in westdeutsche und ausländische Unternehmen.
3. Die Transfers aus den Sozialkasten des Westens in den Osten flossen wieder zurück. Die Ostler haben doch faktisch alles wieder ausgegeben (weder in die berühmten Ost-Produkte noch in DL-en Made in East-Germany).
4. Wieviel haben Sie denn damals für Ihr Privileg-Kühlgerät gelöhnt, 135-150 M?

Eine beachtliche Anzahl von Industrien ist in ganz Deutschland verschwunden, haben Sie es noch nicht gemerkt?
Investitionen sollten stets langfristig angelegt sein. Was hätte es für einen Sinn gemacht, in ein Kamera-Werk zu investieren, das 10 Jahre später liquidiert würde.
Heutzutage hat das Smartphone die Kamera im Massenmarkt ersetzt, praktisch ein technologischer Sprung, den die Ost-Ingenieure ganz bestimmt nicht im Plan hatten.

Daraufhin reagiert OP.

suedbadener:

Der Anschluss war von Pentax, das Objektiv aus dem Osten

Autofokus begann in den 80er Jahren, war aber keineswegs Standard.
Und eine fancy Elektronik allein macht noch keine gute Kamera. –
Was die Reparationen anbetrifft: Die Industrie im Westen war nach dem Krieg und nach den Reparationen noch über dem Stand von 1936.
Nein, die Ossis hatten die 2 auf dem Rücken, und zwar mehrmals. –
Darüber hinaus: es geht nicht darum, ob die DDR-Wirtschaft hoch-innovative Knaller produzierte!
Es geht um das vorhandene Potential, um Deindustrialisierung und ihre gravierenden Folgen, und ob die Billion, die rübergeflossen ist, nicht sinnvoller und fairer hätte eingesetzt werden können.
Das Problem, nein die Sauerei, ist doppelt: Einerseits haben die Steuerzahler im Westen, v.a. der Mittelstand, für den Osten den Soli abgedrückt, andererseits wurde das Geld miserabel eingesetzt.
Wenn es noch einen Beweis für das Scheitern des Neoliberalismus bräuchte, die Treuhand hat ihn geliefert!
Und interessant wäre schon, wer auch noch „bedacht wurde“…

Der Nutzer „Karl_Rotte“ korrigiert:

Karl_Rotte:

Das K-Bajonett ist eine Entwicklung von Asahi Pentax Und meine Contax von 1940 funktioniert immer noch besser als alle meine 60er-Jahre Exaktas zusammen. Und auch Meyer-Optik, Zeiss oder Rodenstock aus dem Kaiserreich wirft auch heute noch einen scharfen Punkt auf einen Digitalsensor. Damit macht aber keine dieser Firmen einen Cent in der aktuellen Bilanz.

Übrigens haben sich „die Russen“ auch in den westlichen Zonen bedient – Opel verlor die beste Linie, aber Rüsselsheim ging nicht unter. Die Kunden wollten seit den 70er Jahren Elektronik und Battteriekram. Uhrwerkverschlüsse können noch so dauerfest sein – wenn zehntausend Kunden was anderes kaufen, als das, was Sie ihnen hinhalten, dann schließen Sie am Ende des Monats die Firma. Die Prakticas waren allein über den Preis an den Mann zu bringen, und der war im Westen künstlich niedrig – lieber eine Handvoll Devisen als Säcke voll Alu-Chip.

Die Kombinate gingen dahin, weil nicht genügend Kunden ihre Waren freiwillig gekauft haben. Wieviele Prakticas haben Sie persönlich gekauft?

Ich persönlich weiß nicht, wie viele Prakticas suedbadener gekauft habe, aber in meinem ostdeutschen  Elternhaus befindet sich zumindest eine. Solche rhetorischen Detailfragen bringen uns meiner Meinungen nicht weiter, weswegen ich hier die Wiedergabe beende.

Die Bewertung der DDR-Produkte und -Fabriken gehört meiner Ansicht nach in einen politischen Kontext, den Artikel und Kommentare bisher ausgespart haben. Zur Zeit der Wiedervereinigung wurde der Vorschlag, die Eigentumsrechte an Ostdeutsche zu verteilen am Runden Tisch einstimmig angenommen. Als Kann-Ziel schaffte die Idee von den Anteilsscheinen es sogar in den deutschen Einigungsvertrag. Die westdeutschen Politiker waren jedoch der Meinung, es gäbe gar keine Anteile zu verteilen, da die gesamte Wirtschaft marode wäre. Wie die Lesediskussion gezeigt hat, stimmte das pauschal nicht. Prof Werner Sinn bringt die Absurdität dieser grandiosen Fehlentscheidung in der Doku „Wer braucht den Osten. (Teil 2 Wirtschaft)“ auf den Punkt. Im Einigungsvertrag wäre zuallererst gar nicht festgelegt, dass die Wertigkeit vorher geprüft werden müsse.

Prof. Werner Sinn: Man kann auch verbriefte Anteilsrechte an Schrott verteilen. Ob das dann Schrott gewesen wäre oder nicht, hätte man später sehen können. Ich glaube, es wäre kein Schrott gewesen.

Mit einer zurückhaltenden Lohnpolitik hätte es weltweit Investoren gegeben, die die Treuhandbetriebe gerne mit übernommen hätten um mit ihren Produkten, ihrem Marktwissen dort etwas aufzuziehen.

Dann wäre es eigentumsrechtlich viel besser gelaufen und — vor allem — es hätte Jobs gegeben.

Der Osten hätte Politiker und Unternehmer gebraucht, die das Potential, die Motivation, die Kraft und den Einfallsreichtum der Ostdeutschen nutzen. Letztere wurden leider ausgebremst, wie die Doku zeigt.

Wir brauchen auch heute derartige Menschen, um die Fehler der Vergangenheit auszubügeln.

Eric Andersen

Zukünftig Monatsberichte von Vorstandsmitgliedern?

Mit sogenannten Monatsberichten kam ich zum ersten Mal in einer Sitzung meines Studierendenrates in Kontakt. Durch die geltende Finanzordnung existieren bestimmte Vergütungsregeln für die ASTA-Referenten, zu denen neben wöchentlichen Sprechzeiten, und verpflichteter Teilnahme an Sitzungen auch ein Monatsbericht gehört:

Der Bericht muss die Inhalte und Ausblicke der Referatsarbeit aussagekräftig widerspiegeln. Als Abrechnungszeitraum definiert diese Ordnung den jeweiligen Kalendermonat.

In der Arbeit des StuRas haben sich diese Monatsberichte als wichtiges Mittel der Kontrolle erwiesen. Es ist sogar in der Geschäftsordnung des StuRas festgeschrieben, dass einmal monatlich der Tagesordnungspunkt „Monatsberichte“ aufgenommen werden. Vorgeschrieben war auch, dass die Berichte des ASTA in den Anhang der Tischvorlage kommen (Jeder machte dabei sein eigenes PDF, auch je mit eigenen Schriftarten, Tabellenformaten und farblicher Gestaltung; kaum eines dabei, das einem anderen glich). Die Vorlage verlangt:

  1. Kopfzeile mit „Monatsbericht MONAT/JAHR“ sowie Name und Funktion
  2. Verpflichtende Sitzungsteilnahmen und Sprechstunden (Tabelle)
  3. Referatstätigkeiten (Text mit Datumsangaben)
  4. Sonstige und übergreifende Tätigkeiten (Stichpunkte)
  5. Ausblick (Text)

In den Teilnahmetabellen wurde oft einfach nur angekreuzt.

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Die Finanzordnung sah vor, bei fehlenden Leistungen die Vergütung zu kürzen.

Es muss dabei bemerkt werden, dass ASTA-Referate ein Ehrenamt innerhalb einer Teilkörperschaft des öffentlichen Rechts darstellen. Die Ausstellung der Monatsberichte wurde mir gegenüber auch damit begründet, dass ansonsten rechtlich gar keine Vergütung gezahlt werden könnte. Es bleibt jedoch unklar, was genau der gesetzliche Grund dafür ist.

Die Satzung der unabhängigen Partei hat seit der Gründungsveranstaltung die Möglichkeit vorgesehen, den Vorstand zu entlohnen (§6.5 Abs. 15):

Auf Beschluss der Mitgliederversammlung kann der Vorstand für seine Tätigkeit entlohnt werden.

Eine Entlohnung von Vorständen soll möglich sein, da der Vorstand entsprechend dieser Satzung eher die Aufgabe eines Dienstleisters erfüllt. Es wäre eine gute Idee dies ebenso wie der StuRa unter der Bedingung von einwandfreien Monatsberichten zu tun.

Eric Andersen

Sichere deutsche Passwörter generieren

Bill Burr entwarf in den 1980er für das amerikanische National Institue of Standards and Technology (NIST) einen Leitfaden für sichere Passworte. Da dies quasi die Referenz für Passwortvorgaben war, beruhren vermutlich alle Ratschläge, die ihr bisher gehört habt, darauf. Jedoch ist Bill Burr selbst nicht mehr von seinem eigenen Werk überzeugt, wie er dem Wall-Street-Journal anvertraute:

„Vieles von dem, was ich tat, bedauere ich jetzt. Am Ende war die Liste der Richtlinien wahrscheinlich zu kompliziert für viele Leute, die sehr gut verstehen, und die Wahrheit ist, es bellte den falschen Baum.“

Passworte gewinnen ihre Sicherheit dadurch, dass sie sich nicht aus Metadaten erraten lassen und sie nicht mehrmals verwendet werden. Es gibt einen regelrechten Streit der Passwort-Philosophien, wie man das erreicht und auch ich musste mich letztendlich für eine Seite entscheiden, wenn ich hier selber Rat erteile.

Festzuhalten ist aber das folgende: Hacker können gängige Verkomplizierungen von gängigen Passwörtern einfach durch Verwendung von Regulären Ausdrücken zu ihren Listen hinzufügen. Wenn sie dann noch Zugriff auf geleakte Datenbanken mit Passwörtern haben, steigen ihre Erfolgschancen weiter. Man kann unter https://haveibeenpwned.com/Passwords sogar nachtesten, ob das eigene Passwort schon einmal dabei war.

Passwörter müssen deswegen einerseits durch echten Zufall generiert, aber andererseits auch leicht zu merken und einzutippen sein. Dann lassen sich im täglichen Netzverkehr auch viele Accounts mit vielen Passworten verwalten. Und dass auch ohne oft Passwortlisten heranziehen zu müssen, die selbst wieder ein Sicherheitsrisiko darstellen und so selten wie möglich Tages- bzw. das Bildschirmlicht erblicken sollten.

Wenn ihr ein neues Passwort erstellt, nutzt deswegen eine Reihe von 5 bis 7 zufälligen deutschen Worten mit Leerzeichen getrennt. Die Groß- und Kleinschreibung ist an sich egal, denn der Pool deutscher Worte ist schon umfangreich genug. Einen Generator (für 4er-Gruppen) findet ihr unter dem Link am Ende. Generiert also 8 Worte, und schneidet 2 bis 3 ab. Schon habt ihr ein leicht zu merkendes, sicheres und relativ einfach einzutippendes Passwort.

http://www.svenbuechler.de/?p=21662

UPDATE:

Im Folgenden ein alternativer Weg, leicht zu merkende deutsche Wortlisten zu erstellen: Verwendet einen englischen Wortlistengenerator! Die eigenhändige Übersetzung der Wörter ins Deutsche bringt einen Schuss mehr Chaos ins System. Selbst wenn Hacker die fehlerhafte Zufälligkeit des Javascript-Zufallsgenerators ausnutzen, so befindet sich noch eine weitere unberechenbare Schicht zwischen ihrem Wissen und eurem Passwort. Jedoch bedroht die menschliche Disposition, Muster zu erkennen und zu erzeugen, die echte Zufälligkeit des Passwortes. Eigenhändiges Umsortieren von Worten ist daher nicht anzuraten! Dieser englische Zufallswortgenerator gefällt mir am besten https://wordcounter.net/random-word-generator. Leider findet sich keine Angabe zum Umfang der verwendeten Wortliste.

Fiete Anders